Können Biogas und Biosprit das Erdöl ersetzen?
von Manfred Julius Müller
Um
es vorweg zu nehmen: Ja, ich bin der Meinung, dass mit der zweiten
Generation von Biokraftanlagen das Erdöl vollkommen ersetzt
werden könnte - in einem Zeitraum von gerade einmal 20
Jahren.
Die Wahrscheinlichkeit einer vollkommenen oder zumindest weitgehenden
Abnabelung vom Erdöl ist aber gering, weil in der Politik nur
selten die Vernunft sich durchsetzen kann.
So sieht es heute aus:
Noch
ist die Ausbeute an Biosprit minimal. In Deutschland liefert
hauptsächlich Raps die Basis für den nachwachsenden
Kraftstoff.
Berücksichtigt man den Aufwand für die Bewirtschaftung und
Düngung der Rapsäcker, bleibt gerade einmal ein Nettoertrag
von 1000 Litern Biodiesel pro Hektar übrig.
Dieses
Ergebnis ist ökologisch wenig überzeugend, zumal die
Raps-Monokultur den Einsatz von Kunstdünger erfordert, der
wiederum das Grundwasser belastet.
Kritiker sehen die Ökobilanz des Rapsöls noch negativer.
Weil die Felder zum Teil per Flugzeug mit Pestiziden eingenebelt
werden müssen, gehen sie lediglich von einem Nettoertrag von 500
Litern pro Hektar aus.
Nur
in einigen wenigen Gegenden, wie etwa in tropischen Teilen
Brasiliens, macht die herkömmliche Biospritgewinnung einen Sinn.
Der dort mögliche Anbau von Zuckerrohr liefert einen
Biospritertrag von immerhin 6000 Litern. So gesehen ist es also keine
besondere Leistung, wenn Brasilien seinen Kraftstoffverbrauch
für Autos bereits zu 50 % durch den Biosprit abdeckt.
Neuen Techniken verfünffachen die Ausbeute!
Neue
Biogasanlagen ermöglichen nun auch in unseren Breitengraden eine
Vervielfachung der Energieausbeute aus nachwachsenden Rohstoffen.
Das Prinzip ist recht einfach: Statt lediglich nur Früchte und
Knospen zu verwerten, werden die gesamten Pflanzen genutzt. In runden
Gärsilos von etwa 30 m Durchmesser werden Biogase erzeugt, die
pro Hektar Anbaufläche einen Energieertrag erzielen, der einem
Äquivalent von 4850 l Heizöl entspricht.
Das
einzige Problem hierbei: Die Gärsilos liefern Biogas, das nun
einmal nicht wie der Rapssprit dem Benzin beigemischt werden
kann.
Wollte man das Biogas für den Autoverkehr nutzen, müssten
die Autos mit Gasanlagen ausgestattet und ein flächendeckendes
Gas-Tankstellennetz aufgebaut werden.
Zwar fahren in Deutschland schon seit 30 Jahren Autos mit Gasantrieb,
wobei die Gasanlage aber zumeist nachträglich eingebaut wurde
und einen Großteil des Kofferraums beansprucht. Es ist nicht
einfach, die Autos vom Benzin abzunabeln und dem Biogas
zuzuführen.
Problemlos ist dagegen die Verwendung des Biogases zur Stromerzeugung. Ein Biogaskraftwerk wie es noch in diesem Jahr in Penkum in Vorpommern ans Netz geht, liefert immerhin im Jahr 20 Megawatt. Es verarbeitet die Maisernte von 6000 Hektar Anbaufläche, das sind etwa 200.000 Tonnen im Jahr. Die Gärreste aus den Silos können zu Trockendünger verarbeitet und dem Acker wieder zugeführt werden.
Mit
der Leistung von 20 Megawatt erreicht das Penkumer Biogaskraftwerk
zwar nur ein fünfzigstel der Leistung eines großen
Atomkraftwerkes, aber auch dies reicht immerhin schon für die
Stromversorgung einer Kleinstadt mit 20.000 Einwohnern.
Für Biogas gibt es eine Einspeisevergütung von 21,5 Cent
pro kWh - auf dieser Grundlage rechnen sich die Anlagen bereits
für private Investoren.
Es geht noch besser!
Bereits
im Jahr 2008 soll bei Kassel ein Prototyp einer weiterentwickelten
Biogasanlage entstehen, die neben Methan auch noch feste,
holzähnliche Brennstoffe liefert.
Diese Anlage soll nicht mehr mit Mais, sondern mit Getreide und
Sonnenblumen befüttert werden können. Die Energieausbeute
soll etwa den doppelten Wert der Penkumer Biogasfabrik erreichen -
pro Hektar wird eine Leistung entsprechend 10.000 Litern Heizöl
erwartet.
Wieviel Anbaufläche gibt es überhaupt?
Deutschland als extrem dichtbesiedeltes Land kommt lediglich auf eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 0,2 Hektar pro Einwohner. Nur vier der insgesamt 17 Millionen Hektar Acker- und Weidefläche lassen sich energetisch sinnvoll nutzen. Das bedeutet, dass Deutschland nach dem heutigen Stand der Technik höchstens 20 % seines gesamten Energiebedarfs über Biogas abdecken könnte.
Aber
der heutige Verbrauch ist ja glücklicherweise nicht das
Maß aller Dinge. Der Verbrauch lässt sich in 20 Jahren
halbieren, wenn man zumindest teilweise die vorhandenen
Möglichkeiten nutzen würde (3-Liter-Auto, Hybridautos,
Energiesparlampen, bessere Isolierung der Häuser usw.).
Bei Nutzung der Einsparpotentials könnte Biogas in 20 Jahren
also bereits 40 % des deutschen Energie-Gesamtbedarfs decken. Wobei
nicht vergessen werden sollte, dass auch die anderen alternativen
Energieträger (Solarstrom, Windkraft) sich in 20 Jahren
beträchtlich gemausert haben dürften.
Aber
das dichtbesiedelte Deutschland stellt zum Glück eine Ausnahme
dar. Den USA zum Beispiel, die dank ihrer dünnen Besiedelung mit
Recht auch heute noch als Einwanderungsland gelten, stehen pro Kopf
die siebenfache landwirtschaftliche Nutzfläche zur
Verfügung.
Die USA könnten immerhin 292 Millionen ihres insgesamt 412
Hektar großen Bestandes an Acker- und Weideflächen zur
Energieerzeugung nutzen. Sie könnten also eines Tages die
wenigen extrem dichtbesiedelten Länder mit biologischer Energie
versorgen. Anstatt Öl aus Saudi-Arabien würden wir dann
Methanol aus den USA beziehen.
Der Weltölbedarf liegt zurzeit bei 4,4 Billionen Litern pro Jahr. Um einen solchen Ertrag aus biologischem Anbau zu erzielen, bräuchte man 400 Millionen Hektar - das ist nur ein Fünftel der weltweit verfügbaren Fläche.
Aber der Weltenergiebedarf wird doch steigen...
Zukunftsforscher rechnen mit einer Zunahme des Weltenergiebedarfs von 50 % in den nächsten 20 Jahren, weil in den großen Schwellenländern China und Indien sich der Wohlstand ausbreitet und die Weltbevölkerung weiter zunimmt.
Aber
diese Prognosen gehen leider vom heutigen Verbrauchsverhalten aus.
Sie berücksichtigen nicht, dass bereits durch die strikte
Anwendung modernster Techniken sich 70 % der Energie einsparen
ließen.
Und sie können natürlich auch nicht berücksichtigen,
was in den nächsten 20 Jahren noch an neuen Einspartechniken
erfunden wird. Es ist also keine Utopie zu glauben, die Menschheit
könnte in 20 Jahren vollkommen auf Erdöl und Erdgas
verzichten.
Wie forciert man die Abnabelung vom Erdöl?
Was nützen die schönsten Erfindungen, wenn sie in Schubladen vergammeln oder nur halbherzig umgesetzt werden? Was kann unser Staat tun, damit wir ein leuchtendes Beispiel geben für einen verantwortungsbewussten Umgang mit den Resten der fossilen Brennstoffe und der drohenden Klimakatastrophe?
1.
Flächenstillegungsprämien abschaffen!
Brachland
muss nicht weiter subventioniert, es muss zur Energieerzeugung
genutzt werden.
2.
Subventionierung des Rapssprits auslaufen
lassen!
Der
ökologische Wert des Rapssprits war schon immer umstritten und
hat durch die genannten wesentlich besseren Biogas-Alternativen keine
Daseinsberechtigung mehr.
3.
Tanktourismus verhindern!
Im
Ausland tanken und auf unseren Straßen die Luft verpesten - ein
solche Steuerhinterziehung ist nicht länger zu akzeptieren, weil
sie alle Reformbemühungen untergräbt.
Pro Jahr sollen bereits dem deutschen Fiskus durch diesen Missbrauch
acht Milliarden Euro an Einnahmen verloren gehen.
Wenn es nicht möglich ist, sich mit den Nachbarländern bezüglich der Kraftstoffbesteuerung abzustimmen, müssen Autofahrer ihr eingeführtes Billigbenzin an der Grenze eben nachversteuern. (Würde man eine Nachversteuerung tatsächlich in Angriff nehmen, würden die Nachbarländer sicher sehr schnell an den Verhandlungstisch zurückkehren und einlenken.)
4.
Steuern statt Subventionen
Die
EU und besonders Deutschland leiden unter einer chronischen
Subventionitis. Ständig wird versucht, mit neuen
Förderungen irgendwas zu forcieren.
Billiger und marktgerechter als neue Subventionen wirken jedoch
Steuererhöhungen auf fossile Energieträger. Die Erlöse
könnten zum Beispiel eingesetzt werden zur Senkung der
Krankenversicherungsbeiträge, so dass die zusätzlichen
Steuern keinen Kostenauftrieb verursachen.
Um nachteilige volkswirtschaftliche Auswirkungen einer Steueranhebung (auf fossile Energieträger) zu kompensieren, müsste gleichzeitig der Industriestandort Deutschland durch eine neuerliche Lohnkostenreform gestärkt werden (Mehrwertsteuererhöhung bei gleichzeitiger Absenkung der Beiträge zur Renten- und Krankenversicherung).
5.
Steuererhöhungen weltweit einfordern!
Wichtiger
als alle CO2- und Kyoto-Abkommen dieser Welt scheinen mir
internationale Vereinbarungen über steigende Steuern auf fossile
Energieträger.
Auch das letzte Entwicklungsland hat inzwischen begriffen, dass alle
Menschen vom Klimawandel bedroht sind.
Steuern sind immer noch das effizienteste Mittel, um notwendige Veränderungen einzuleiten. Wenn alle wichtigen Länder an einem Strang ziehen, muss auch keines eine Verschlechterung der Wettbewerbslage befürchten.
6.
Darf der Staat sich als Unternehmer betätigen?
Es
gibt genug Beispiele, dass auch der Staat sich erfolgreich
unternehmerisch betätigen kann.
Wenn
also Privatunternehmer zu zögerlich sind mit dem Errichten neuer
Biogasanlagen, kann auch der Staat oder das Bundesland einspringen
und den Reformprozess vorantreiben, entweder nur mit der Errichtung
von neuen Biokraftwerken, notfalls aber auch mit der Bewirtschaftung
großer Landflächen und der Rohstoffgewinnung.
7.
Ist erst einmal ausreichend Biogas auf dem Markt, werden auch
Autogasanlagen attraktiv
Wenn
erst einmal genügend Methan zur Verfügung steht und es sich
für den Autofahrer rechnet, werden auch die Autokonzerne
reagieren. In einer langen Übergangsphase werden dann vielleicht
Autos standardmäßig mit Doppeltanks bestückt für
Benzin und Biogas. Ein Gas-Tankstellennetz wird sich dann von ganz
allein flächendeckend ausbreiten.
8.
Mit Nachdruck die neuesten Biospritanlagen forcieren
Vor
20 Jahren war es kein Problem, acht Milliarden DM in die Erprobung
eines futuristisch anmutenden neuen Atomkraftprojekts zu stecken. Der
Schnelle Brüter ging nie ans Netz, die Investitionen haben sich
nicht ausgezahlt.
Die
Biogasgewinnung der neuesten Generation steckt noch in den
Kinderschuhen. Hier könnte der Staat mit recht geringem Aufwand
die Entwicklung einer neuen Technologie beschleunigen und zum raschen
Durchbruch verhelfen.
Hintergrund
& Analyse (Folge
14)
Auch
die nachstehenden Links verweisen auf Seiten, die nicht
von staatlichen Institutionen, Global Playern, Konzernen,
Verbänden, Parteien, Stiftungen, Gewerkschaften,
Hilfsorganisationen, NGOs, der EU- oder der Kapitallobby dirigiert,
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sämtlicher Texte: Manfred Julius Müller (unabhängiger,
parteiloser Wirtschaftsanalyst und Zukunftsforscher).
Die
wahren Ursachen des Fachkräftemangels. Problemlösungen
Fridays
for Future? Ist der Klimawandel Folge der
Globalisierung?
Recherche:
Die Globalisierung vergiftet den Kapitalismus!
Deutschland
und die Zukunft der Globalisierung
Deglobalisierung
oder Deindustrialisierung? Deutschland wird sich entscheiden
müssen!
Die
entscheidenden Auswirkungen der Globalisierung bleiben
unbeachtet!
Jenseits
aller Propaganda: die Vor- und Nachteile der Globalisierung
Wer
bestimmt eigentlich, dass Deutschland ein Einwanderungsland
ist?
Was
versteht man unter Neoliberalismus?
Der
Neoliberalismus als Antwort auf die
Globalisierung?
Die
Schuld der Deutschen am Holocaust und 2.
Weltkrieg
Protektionismus
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Impressum
©
Manfred J. Müller, Flensburg, Erstveröffentlichung
März 2011
Sie
haben in entscheidenden Dingen eine andere Auffassung?
Sie
beschäftigen sich bereits seit Jahrzehnten mit politischen
Grundsatzfragen (Zollphobie, EU, Euro, Multikultiideologie,
Billiggeldschwemme, Subventionspolitik usw.). Sie haben selbst schon
diesbezügliche Studien und Analysen erstellt, Vor- und Nachteile
abgewogen, Fakten geprüft und sich über diverse Kanäle
ständig auf dem Laufendem gehalten? Dann würde ich mich
über einen offenen Gedankenaustausch mit Ihnen sehr freuen.
Schreiben Sie per Email an m.mueller@iworld.de, warum unter
Berücksichtigung aller relevanten Faktoren (dem Wohle der
Menschheit dienend) Sie zu anderen Schlussfolgerungen gekommen
sind.