Wie man die Lohnnebenkosten drastisch senkt!

In den populistischen Sonntagsreden der Politiker wird immer wieder die Senkung der Lohnnebenkosten angemahnt. Aber meint man es auch wirklich ernst damit? Denn einen Erfolg gibt es bislang nicht zu vermelden - unseren Regierungen ist es auch in den letzten fünf Jahrzehnten nicht gelungen, die lohnbezogene Abgabenlast zu senken.

Nur mit Tricks gelang es überhaupt, ein wenig Stabilität in die Sache hineinzubringen. Um die Lohnnebenkosten nicht noch weiter anschwellen zu lassen, wurden einfach Leistungskürzungen vorgenommen - (Rentenkürzungen, Einsparungen beim Arbeitslosengeld, höhere Selbstbeteiligung bei Arzneien, Praxisgebühren, Streichung des Sterbegeldes, Streichung eines Feiertages usw.). Ein derartiges Streichprogramm stellt aber keine echte Lösung des Problems dar, sondern lediglich eine Kostenverlagerung und einen Sozialabbau, der völlig im Widerspruch steht zu einer stetig wachsenden Wirtschaft und Produktivität.

 

Wie könnten die staatlichen Lohnnebenkosten dauerhaft gesenkt werden?
Die Finanzierung unseres Sozialsystems (Rente, Krankheit, Pflege, Arbeitslosigkeit) läuft in Deutschland hauptsächlich über lohnbezogene Sozialversicherungsbeiträge. Dieses Prinzip führt zur einer drastischen Verteuerung der Arbeit und erweist sich als großes Handicap im globalen Dumpingwettbewerb.

Nun könnte ein Staat durch angemessene Einfuhrzölle sich dem weltweiten Unterbietungswettbewerb entziehen. Aber leider leben wir in einer Epoche, in der Zölle als unfein gelten und als Protektionismus (Schutz der eigenen Volkswirtschaft vor ausländischer Konkurrenz) verpönt sind. Diese eigenwillige Ablehnung einer Schutzvorrichtung, die sich über Jahrtausende bewährt hatte, scheint um so erstaunlicher, da andere Spielarten des Protektionismus (Lohn-, Sozial-, Öko- und Währungsdumping, nationalistische Korruption, Subventionen usw.) zur Rettung der eigenen Haut (der eigenen Volkswirtschaft) sich weltweit größter Beliebtheit erfreuen.

Aber gut, lassen wir einmal diese seltsame Schizophrenie bei der Bewertung des Protektionismus außer Acht und kommen wir zurück zu den Lohnkosten, die durch die Sozialbeiträge künstlich aufgebläht werden.
Natürlich könnte der Staat auch hier Abhilfe schaffen und die Sozialkassen auf andere Weise füllen, vorzugsweise über die Mehrwertsteuer. Dann würde sich eine ganz andere Sachlage ergeben: Die Arbeitskosten würden sinken (was eine Wohltat wäre für unseren angespannten Arbeitsmarkt) und gleichzeitig würden Importe teurer (was ebenfalls als Beschäftigungswunder wirken würde).
Durch diese Umfinanzierung der Sozialsysteme würde ein Paradigmawechsel eingeleitet. Die Arbeit wird nicht mehr künstlich verteuert - die Finanzierung des Sozialstaates erfolgt über den Konsum und ist damit völlig wertneutral (die Subventionierung und Besserstellung importierter Waren würde damit aufgehoben). Wie das alles funktioniert, können Sie
hier nachlesen.

 

Auch die Lohnsteuern sind eigentlich Lohnnebenkosten!
Bei all dem sollte nicht vergessen werden, dass schließlich auch noch die Lohn- und Einkommenssteuern zur Verteuerung der Arbeit beitragen. Es bringt daher volkswirtschaftlich wenig, die Sozialsysteme über eine Anhebung dieser Steuern zu finanzieren (wie es in einigen Staaten teilweise geschieht).mZwar erhoffen sich einige Sozialisten von lohnsteuerfinanziertem Sozialsystemen eine gerechtere Lastenverteilung (Geringverdiener zahlen dann weniger bis nichts, die Besserverdiener aber um so mehr), aber diese Hoffnung entpuppt sich in einer freien Welt als Trugschluss, weil ein Staat auf seine Eliten angewiesen ist und diese nicht vergraulen sollte.

 

Fassen wir das Wesentliche noch einmal kurz zusammen:

1. Die Lohnhöhe und die Lohnnebenkosten spielen nur dann eine große Rolle, wenn der Staat sich dem globalen Dumpingwettbewerb verschrieben hat (auf Zölle weitgehend verzichtet).

2. Wenn ein an Billiglohnländer angrenzender Staat auf Zölle verzichtet, grenzt es fast schon an Sabotage, in dieser misslichen Lage auch noch die Lohnkosten über Abgaben künstlich in die Höhe zu treiben. Das Problem wäre gelöst, wenn die Sozialsysteme über die Mehrwertsteuer finanziert würden.

3. Eine Finanzierung der Sozialsysteme über die Mehrwertsteuer führt außerdem zu mehr Gerechtigkeit zwischen den Faktoren Arbeit und Kapital. Das bislang stark subventionierte Kapital würde seine einseitige Bevorzugung größtenteils einbüßen und somit zu einer besseren Effizienz des kapitalistischen Systems beitragen (Stärkung der marktwirtschaftlichen Kräfte).

 

Die ungleiche Behandlung von Arbeit und Kapital

Warum wird der Sozialstaat über Lohnnebenkosten finanziert?

Während die Arbeit durch die Sozialversicherungsbeiträge und Steuern künstlich verteuert wird, beschreitet man auf der Kapitalseite genau den umgekehrten Weg: Investitionen werden durch Zuschüsse aus unterschiedlichen Subventionstöpfen künstlich verbilligt. Das Resultat kann niemanden überraschen: Die einseitig belastete Arbeit wird häufig völlig sinnlos wegrationalisiert (durch Maschinen ersetzt, die bei ordentlicher Kalkulation gar nicht rentabel wären). Die weitere Folge: Das künstlich erzeugte Überangebot an Arbeitskräften sorgt für sinkende Reallöhne, während im Gegenzug Kapitalrenditen überproportional ansteigen.


Berechnungsgrundlage:
Lohnkosten: 100 Euro Bruttolohn, abzüglich 21 Euro Sozialversicherung Arbeitnehmeranteil und 15 Euro Lohnsteuern, das ergibt einen Nettolohn von 64 Euro. Bei 64 Euro netto bedeuten 21 Euro Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung 33 % Kostenaufschlag, die Arbeitgeberanteile ebenfalls 33 % und die 15 Euro Steuern entsprächen 23 % Aufschlag.
Kapitalkosten: Die Investitions-Zuschüsse für Maschinen sind natürlich unterschiedlich, es konnte nur ein geschätzter Durchschnittswert angegeben werden. Es gibt unzählige Förderungstöpfe auf Kommunal-, Landes-, Bundes- und EU-Ebene.

Fazit: Bei einem Kostenaufwand von 121 Euro verbleiben beim Arbeitnehmer nur etwa 64 Euro, während bei Investitionen genau umgekehrt verfahren wird (aus 80 Euro Einsatz werden 100 Euro). Insgesamt wird die Arbeit vom Gesetzgeber also um über 100 % schlechter gestellt als Investitionskapital.

 

Die nachstehenden Anmerkungen sind von geringerer Bedeutung:

Was geschieht mit den anderen Lohnnebenkosten?
Neben den staatlichen Lohnnebenkosten gibt es auch noch tarifliche und betrieblich bedingte Lohnnebenkosten, die volkswirtschaftlich gesehen aber weit weniger relevant sind.

 

Die tariflichen Lohnnebenkosten
Bei den tariflichen Lohnnebenkosten handelt es sich um Sonderleistungen, wie zum Beispiel dem Urlaubsanspruch, der Bezahlung von Feiertagen, der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Weihnachts- und Urlaubsgeld usw. Allein diese Leistungen summieren sich auf 25 bis 40 % des Grundlohnes. Wer einen Stundenlohn von 15 Euro hat, kommt also eigentlich auf einen echten Stundenlohn von ca. 20 Euro. Noch höher ist der Aufschlag, wenn die Firma weitere Sozialleistungen gewährt, wie zum Beispiel Firmenwagen, Fahrtkostenzuschüsse, verbilligtes Kantinenessen, Betriebsrenten, Bonuszahlungen, Fortbildungsmaßnahmen usw.

Die tariflichen Lohnnebenkosten sind ein Bestandteil des Lohnes - sie zu kürzen macht wenig Sinn, weil fairerweise als Ausgleich eine Anhebung des Grundlohnes notwendig wäre. Allerdings haben hohe tarifliche Lohnnebenkosten einen psychologischen Nachteil, der sich auch schädigend auf die Volkswirtschaft auswirkt: Dies gilt besonders bezüglich der Schwarzarbeit. Viele Schwarzarbeiter verkaufen sich unter Wert, weil sie ihren wahren Stundenlohn gar nicht kennen bzw. zu wenig darüber nachdenken. Würden sie wissen, dass sie nicht 15, sondern eigentlich 20 Euro brutto verdienen, würden sie kaum für 10 oder 15 Euro "ihre Nachbarschaftshilfe" anbieten.

Ähnliches gilt für die Entlohnung betrieblicher Überstunden. Die Aufschläge liegen meistens bei bescheidenen 20 oder 25 % und damit weit unter den tariflichen Lohnnebenleistungen der regulären Arbeitszeit von durchschnittlich 35 %. Der Überstundenzuschlag täuscht demnach einen Bonus vor, der tatsächlich gar nicht vorhanden ist. Für die Firmen sind Überstunden besonders kostengünstig, billiger als reguläre Arbeitszeit. Wegen dieses Vorteils setzen manche fortwährend überlastete Firmen lieber auf Überstunden, als an die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte zu denken.

Ein weiterer Nachteil der im Stundenlohn enthaltenen Zusatzleistungen ergibt sich beim direkten Vergleich mit dem Ausland. Manche gut ausgebildeten Fachkräfte zieht es in Ausland, weil sie von famosen Verdienstmöglichkeiten gehört haben. Erst wenn sie in ihrer neuen Wahlheimat so richtig angekommen sind durchschauen sie das Blendwerk der hohen Stundenlöhne, die oft weit weniger tarifliche Sonderleistungen enthalten (weniger Urlaub, kein Weihnachts- und Urlaubsgeld, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, keine Bereitstellung firmeneigener Werkzeuge usw.).

So gesehen wäre es also doch besser, auch die tariflichen Lohnnebenkosten herunterzuschrauben und dies durch einen höheren Grundlohn auszugleichen. Es besteht aber leider die Gefahr, dass in einem Umfeld fehlender Arbeitslätze eine wertneutrale Umwandlung der Zusatzleistungen in einen höheren Grundlohn schwierig durchzusetzen ist und es am Ende nur zu einem Abbau sozialer Errungenschaften kommt.

 

Die betriebsbedingten Lohnnebenkosten
Wenn man so will, können auch die betriebsbedingten Aufwendungen zum Erhalt des Arbeitsplatzes als Lohnnebenkosten eingestuft werden. Hierzu zählen die Kosten der Lohnbuchhaltung, Berufsgenossenschaftsbeiträge, baurechtliche Veränderungen (WCs, Sozialräume) und arbeitsplatzbezogene Abschreibungen. Aber auch hier gibt es wenig Handlungsspielraum für Veränderungen oder Einsparungen, so dass sich eine Diskussion hierüber weitgehend erübrigt.
Leider trägt die bloße Existenz der tariflichen und betriebsbedingten Lohnnebenkosten zur Verwirrung und Verschleierung des Hauptproblems bei. Und das Hauptproblem sind nun einmal vorrangig die lohnverteuernden Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern. Hier böten sich einfache und wirksame Möglichkeiten zur Abhilfe und Absenkung. Es wäre ein Skandal, wenn dies weiterhin ignoriert wird.

 

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Impressum
© Manfred J. Müller, Flensburg. Erstveröffentlichung Januar 2009, aber leider immer noch brandaktuell

Manfred Julius Müller analysiert und kritisiert seit 40 Jahren weltwirtschaftliche Abläufe. Er ist Autor verschiedener Bücher zu den Themenkomplexen Globalisierung, Kapitalismus und Politik.

 

 

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Auf diese Weise hält das Establishment zwar die lästige Konkurrenz in Schach, verhindert aber auch jegliche Neuorientierung oder Rückbesinnung an bessere Zeiten.

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Die geballte Kompetenz aus Politik und Wirtschaft hat Deutschland in die totale Ex- und Importabhängigkeit mit langen Lieferketten geführt. Seit 1980 sinken nun die Reallöhne und Renten! Globalisierung und EU hängen am Tropf einer die Sparer enteignenden Niedrigzins-Politik. Hat sich also die Establishment-Politik der Vergangenheit bewährt? Darf es keine fundamentale Kritik an der Politik des Establishments und seiner staatlichen Medienpropaganda geben?



Es wäre schlimm, wenn sich in unserer Scheindemokratie vor allem die Lobbyverbände, Leitmedien, Phantasten, gewieften Rhetoriker und lauten Fanatiker durchsetzen. Und die Vernunft dabei zusehends auf der Strecke bleibt.